ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion)
- 12 Minuten
- 05.12.2024
Die folgenden Informationen können ein persönliches Beratungsgespräch nicht ersetzen. Individuelle Beratung bieten Gynäkolog*innen oder Kinderwunschzentren
Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist eine erweiterte Form der In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der ein einzelnes Spermium im Labor direkt in die weibliche Eizelle injiziert wird. Die ICSI kommt u. a. bei ausgeprägten männlichen Fruchtbarkeitsstörungen in Frage.
Das erste, per ICSI gezeugte Baby kam 1992 in Brüssel zur Welt.1 Seit 2002 ist die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen, nachdem es zunächst Bedenken wegen eines möglicherweise höheren Fehlbildungsrisikos gab.2 Im Jahr 2008 kam der Untersuchungsausschuss „Familienplanung“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu dem Ergebnis, dass mit ICSI gezeugte Kinder kein signifikant höheres Risiko für größere Fehlbildungen haben als Kinder, die mit IVF gezeugt wurden.3
Der Ablauf unterscheidet sich nur in wenigen Punkten von einer IVF-Behandlung. Zum einen wird der Prozess der Befruchtung stärker gesteuert. Zum anderen werden bei einem sehr schlechten Spermiogramm ggf. auch minimal-invasive Verfahren zur Gewinnung gesunder Samenzellen eingesetzt.
Um eine künstliche Befruchtung durchführen zu können, müssen genügend befruchtungsfähige Eizellen zur Verfügung stehen. Darum beginnt die medizinische Behandlung in der Regel mit einer Hormonstimulation: Über Tabletten oder in Form von subkutanen Spritzen (Spritzen unter die Bauchhaut) nimmt die Frau ausgewählte, individuell dosierte Hormone zu sich. Dadurch werden die Eierstöcke angeregt, mehr Eizellen zu produzieren.
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Sobald ausreichend Eizellen produziert wurden, werden diese künstlich zur Reifung gebracht. Durch die Gabe bestimmter Medikamente wird der Eisprung ausgelöst. Circa 36 Stunden später werden die Eizellen für die Befruchtung mittels Punktion entnommen. Der Eingriff erfolgt unter Ultraschallkontrolle durch die Scheide in Kurznarkose.
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In der Regel werden für die Befruchtung geeignete Samenzellen aus dem Ejakulat verwendet. Enthält dieses jedoch keine oder nur wenige gesunde Samenzellen, können gegebenenfalls Spermien direkt aus dem Hoden gewonnen werden. Der Eingriff, den hochspezialisierte Andrologen durchführen, nennt sich testikuläre Spermienextraktion (TESE); er erfolgt in der Regel unter Narkose. Werden in den Gewebeproben befruchtungsfähige Spermien gefunden, können diese direkt für eine ICSI verwendet oder eingefroren werden.
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Das nach festgelegten Kriterien ausgewählte gesündeste und aufbereitete Spermium, wird anschließend mit einer sehr dünnen Nadel unter dem Mikroskop in die Eizelle injiziert. Etwa 2-5 Tage nachdem die Eizelle befruchtet wurde, bildet sich ein Embryo. In der Regel werden dann ein, maximal zwei Embryonen mit einem dünnen Katheter in die Gebärmutterhöhle eingebracht (Embryotransfer). Die Anzahl ist abhängig vom Alter der Patientin, verschiedenen anderen Faktoren und den Befruchtungsergebnissen.
Ein Schwangerschaftstest, etwa zwei Wochen nach dem Embryotransfer, gibt Auskunft darüber, ob sich der Embryo erfolgreich in der Gebärmutter eingenistet hat. Bei einem positiven Ergebnis wird die Schwangerschaft bis zum Nachweis des Herzschlags weiterhin vom Kinderwunschzentrum überwacht. Ab der 8. oder 9. Schwangerschaftswoche übernimmt in der Regel der niedergelassene Gynäkologe oder die Gynäkologin die weitere Betreuung der Schwangerschaft.
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Eine ICSI-Behandlung wird in der Regel erst durchgeführt, wenn hormonelle Behandlungen zur Normalisierung des weiblichen Zyklus und des Eisprungs wenig erfolgversprechend sind und/oder mehrere IVF-Versuche fehlgeschlagen sind, bzw. wenn ausgeprägte männliche Fruchtbarkeitsstörungen vorliegen. Wie gut die Chancen für eine erfolgreiche Befruchtung stehen, hängt u. a. von folgenden Faktoren ab:
Das Alter der Frau ist für den Erfolg einer künstlichen Befruchtung von entscheidender Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit, durch eine IVF oder ICSI schwanger zu werden, sinkt mit zunehmendem Lebensalter. Bei Frauen bis zum 32. Lebensjahr liegt die Chance auf eine Schwangerschaft pro Embryotransfer noch bei über 40 %. Bis zum 40. Lebensjahr fällt sie dann auf 20 %. Mit 45 Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nach Embryotransfer nur noch 2,6 %.4
Eine ICSI-Behandlung setzt, wie jede Form der künstlichen Befruchtung, voraus, dass ausreichend befruchtungsfähige Eizellen und gesunde Spermien, u. a. hinsichtlich Beweglichkeit, Form (Morphologie) und Spermienanzahl, vorhanden sind. Es kann aber auch zu Problemen nach der Befruchtung kommen, wenn sich die Eizelle beispielsweise nicht weiterentwickelt oder sich der Embryo nicht in der Gebärmutter einnistet.
Die bewusste Gestaltung des täglichen Lebens kann sich direkt auf die Fruchtbarkeit auswirken. Die verminderte Fruchtbarkeit rauchender Frauen kann beispielsweise die Einnistung und optimale Versorgung einer befruchteten Eizelle negativ beeinflussen. Zudem gibt es Hinweise, dass regelmäßiger Alkoholkonsum sowohl bei Frauen als auch bei Männern einen Einfluss auf den Erfolg einer Kinderwunschbehandlung haben kann.
Bei Schwangeren, die Alkohol konsumieren, erhöht sich das Risiko für Fehlbildungen, es kann das Wachstum des ungeborenen Kindes und sogar eine Fehlgeburt begünstigen. Der Verzicht auf Alkohol und ein gesunder Lebensstil, schaffen die besten Voraussetzungen für die Erfüllung des Kinderwunsches.
Dieses Verfahren wird im Allgemeinen in spezialisierten Kinderwunschzentren von Reproduktionsmedizinerinnen und Reproduktionsmedizinern durchgeführt – allerdings erst, wenn IVF-Versuche gescheitert sind oder andere Faktoren, wie z. B. das Spermiogramm, den Schluss zulassen, dass eine IVF nicht zum Erfolg führen wird.
In Kinderwunschkliniken und -zentren arbeiten Spezialistinnen und Spezialisten für Gynäkologische Endokrinologie interdisziplinär mit Fachärztinnen und -ärzten für Andrologie sowie ggf. mit Embryologinnen und Embryologen zusammen, um auch bei schwierigen Befundlagen die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft zu eröffnen. Manche Zentren betreiben kleinere Zweigstellen, sodass auch wohnortnah eine umfassende Beratung und Begleitung ungewollt kinderloser Paare möglich ist.
Die Methode der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion wird in erster Linie von Paaren in Anspruch genommen, wenn die Qualität der Spermien stark eingeschränkt ist. Sie kann auch empfohlen werden, wenn Versuche im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF) gescheitert sind. Des Weiteren wird die Behandlung von alleinstehenden Frauen und lesbischen Paaren genutzt, die mithilfe von Spendersamen den Wunsch vom eigenen Kind erfüllen möchten.
Gute Kliniken legen großen Wert auf eine umfassende, unverbindliche Beratung und Aufklärung zu den Chancen, Herausforderungen und Risiken einer Kinderwunschbehandlung. Gute Reproduktionsmedizinerinnen und Reproduktionsmediziner arbeiten in der Regel interdisziplinär mit Ärztinnen und Ärzten verwandter Fachgebiete zusammen. Das kann am gleichen Standort erfolgen oder auch durch Kooperationen mit größeren Zentren. Eine solche Zusammenarbeit ist insbesondere dann wichtig, wenn die Fruchtbarkeit stark eingeschränkt ist oder ein Risiko für genetische Erkrankungen besteht. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Bauchgefühl, das heißt, ob man sich bei dem betreuenden Arzt bzw. der betreuenden Ärztin gut aufgehoben fühlt.
Die Kosten für eine künstliche Befruchtung via ICSI können (anteilig) von der Krankenkasse übernommen werden, denn Unfruchtbarkeit ist als Krankheit anerkannt. In der Regel werden bis zu drei Zyklen bezuschusst. Allerdings gilt dies nur für verheiratete, heterosexuelle Paare, bei denen durch die künstliche Befruchtung die Chance auf eine Schwangerschaft besteht. Zudem muss die Frau zwischen 25 und 40 Jahren und der Mann zwischen 25 und 50 Jahren alt sein. Mehr Infos zum Thema Kosten und Kostenübernahme.
Bei manchen Männern kann es vorkommen, dass sich im Ejakulat keine Spermien befinden. In diesem Fall können ggf. Samenzellen direkt aus dem Hoden des Mannes gewonnen werden (testikuläre Spermienextraktion). Hierfür wird in der Regel ein gesonderter Termin für den Eingriff vereinbart, der zeitlich vor der Entnahme und Befruchtung der Eizellen liegt.
Die Hormonstimulation, mit der die Produktion von Eizellen bzw. die Reifung der Eizellen herbeigeführt wird, kann als belastend empfunden werden. Das Risiko für Fehlbildungen ist bei einer ICSI-Behandlung, genauso wie bei einer klassischen IVF-Behandlung, etwas höher als bei einer natürlich entstandenen Schwangerschaft.5 Dies ist jedoch weniger auf das Verfahren selbst zurückzuführen, sondern vielmehr auf Risikofaktoren, die der Mann und/oder die Frau mit sich bringen. Werden beim Embryotransfer mehrere Embryonen übertragen, kann es außerdem zu einer Mehrlingsschwangerschaft kommen. Eine solche Schwangerschaft kann zu höheren Belastungen führen. Daher ist unser Ziel ist immer eine gesunde Einlingsschwangerschaft.
Nutzt die offenen amedes Info-Abende, um euch über Behandlungsoptionen bei unerfülltem Kinderwunsch zu informieren, Unsicherheiten abzulegen und Klarheit zu gewinnen, welche Wege ihr gehen könnt. Bitte beachtet, dass sich unsere Info-Abende sowohl an heterosexuelle als auch gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Frauen richten. Die Expertinnen und Experten von amedes heißen euch herzlich willkommen und freuen sich auf eure Fragen.
1 The Brussels Times. „Belgian hospital became first to use sperm injection treatment 30 years ago“, 31.01.2022, The Brussels Times Newsroom, https://www.brusselstimes.com/203966/belgian-hospital-became-first-to-use-sperm-injection-treatment-30-years-ago (Datum des Zugriffs: 02.12.2024)
2 Gemeinsamer Bundesausschuss. Pressemitteilung. “Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) wird Kassenleistung. Köln, 26.02.2002, https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/26/ (Datum des Zugriffs: 02.12.2024)
3 Gemeinsamer Bundesausschuss. „Fehlbildungsrisiko der mit der Methode ICSI gezeugten Kinder im Vergleich zu IVF- bzw. natürlich konzipierten Kindern“. Zusammenfassender Bericht des Unterausschusses „Familienplanung“ des Gemeinsamen Bundesausschusses. 20.02.2008, S. 5, https://www.g-ba.de/downloads/40-268-624/2008-02-20-Abschluss-ICSI.pdf (Datum des Zugriffs: 02.12.2024)
4 Deutsches IVF-Register (D.I.R.)® „D.I.R. Jahrbuch 2021“, Auszug, 10/2022, Ausgabe 2, S. 6, https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2021-sonderausgabe-fuer-paare.pdf (Datum des Zugriffs: 02.12.2024)
5 Gemeinsamer Bundesausschuss. „Fehlbildungsrisiko der mit der Methode ICSI gezeugten Kinder im Vergleich zu IVF- bzw. natürlich konzipierten Kindern“, a. a. O.